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Virtuell noch dabei – Wenn der ehemalige Arbeitgeber nicht mehr im Karrierenetzwerk genannt werden möchte

  • Anja Kömpf
  • 18. Sept. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Auf LinkedIn, XING oder anderen (Karriere-)Plattformen veröffentlichen Mitglieder einen digitalen Lebenslauf, indem sie die einzelnen Stationen ihres beruflichen Werdegangs angeben. Durch zusätzliche Einträge („Ich biete… und „Ich suche…“) ergibt sich eine Quasi-Bewerbungsmappe. Die Netzwerke sind ein beliebter Treffpunkt für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Personalprofis geworden oder salopper gesagt, da „checkt man den Kandidaten mal“.

Nicht selten ist die Angabe des Arbeitgebers nicht mehr aktuell. In vielen Fällen handelt es sich um eine Nachlässigkeit. Zum Teil zögern die Profilinhaber die Aktualisierung des Eintrags jedoch auch hinaus, weil sie sich davon eine bessere Position auf dem Bewerbungsmarkt versprechen. Es entspricht einer verbreiteten Meinung, dass die Bewerbung aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis hinaus, also eine „freiwillige“, den Kandidaten attraktiver macht. Auch der Ablauf einer Befristung des Arbeitsverhältnisses gehört hierher.

Nicht jeder ehemalige Arbeitgeber ist mit einem solchen virtuellen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einverstanden – aus guten rechtlichen Gründen:

Im Kontext des Arbeitszeugnisses kennt man die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erteilung eines Zeugnisses, das der Wahrheit entspricht. Damit soll potentiellen Arbeitgebern ein (angesichts der den Arbeitnehmern zugeneigten Praxis einigermaßen) authentisches Bild des Arbeitnehmers verschafft werden. Suggeriert nun das Profil im Karrierenetzwerk, dass das Arbeitsverhältnis noch besteht, können für einen potentiellen Arbeitgeber erhebliche Sachverhalte wie verhaltensbedingte (fristlose) Kündigungen oder sehr lange zurückliegende Arbeitsverhältnisse verschleiert werden. Ob sich daraus Schadensersatzansprüche ergeben, hängt freilich von weiteren Voraussetzungen ab.

Ein zweites Problem kann sich für den ehemaligen Arbeitgeber unter dem Aspekt der Rechtsscheinhaftung stellen. So handelt es sich bei der sog. Anscheinsvollmacht um den zurechenbaren Rechtsschein einer Vollmacht: Der Vertretene muss sich das Auftreten seines Vertreters zurechnen lassen, wenn er trotz einer gewissen Häufigkeit und Dauer nicht dagegen einschreitet. Beim Hinzutreten weiterer Umstände kann die digitale Unternehmenszugehörigkeit für den ehemaligen Arbeitgeber zum Problem werden. Auch über die sog. Duldungsvollmacht wird außerdem ein Verhalten zugerechnet, für das die Vollmacht fehlt. Hierbei duldet der Vertretene das Auftreten des Vertreters. Im Unterschied zur Anscheinsvollmacht hat er sogar positive Kenntnis. Des Weiteren könnten dem ehemaligen Arbeitgeber Wettbewerbsverstöße vorgeworfen werden. Über § 8 Abs. 2 UWG ist das Verhalten des (digitalen) Mitarbeiters für die wettbewerbsrechtliche Prüfung relevant. Und noch ein Punkt kann dem ehemaligen Arbeitgeber missfallen: Das Netzwerk bietet auch den Kunden des Unternehmens eine Kontaktmöglichkeit zum ausgeschiedenen Mitarbeiter. Werden darüber Nachrichten ausgetauscht, obwohl der Kundenkontakt durch das beendete Arbeitsverhältnis abgebrochen werden soll, kann es zum Abwerben des Kunden kommen.

Was kann der ehemalige Arbeitgeber tun?

Obgleich LinkedIn und vergleichbare Karriereportale eine Fülle unrichtiger Einträge ausweisen, ist die arbeitsrechtliche Beschäftigung mit der digitalen Unternehmenszugehörigkeit dürftig. Das heißt aber nicht, dass der zu Unrecht Genannte schutzlos ist.

Zwar versagen die arbeitsrechtlichen Instrumente der Abmahnung und Kündigung, weil das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht. Auch ein „Herausgabeanspruch“ – wie er auch zumeist arbeitsvertraglich geregelt ist – hilft nicht weiter, da die im Netzwerkprofil gemachten Angaben nicht Daten des Arbeitgebers sind. (Das ist nur anders, wenn der Netzwerkaccount auf die Firma des Arbeitgebers läuft, vgl. etwa ein Friseurladen bei LinkedIn oder auch bei Facebook).

Auch die Parteien eines Arbeitsvertrags treffen jedoch die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB. § 241 Abs. 2 BGB bestimmt: „Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“ Diese Nebenpflicht besteht auch nachvertraglich (dazu Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 241, Rn 160 „post contractum finitum)“. Sie bezieht sich außerdem nicht nur auf ein Verhalten, das unmittelbar an den Arbeitsvertrag und seine Pflichten anknüpft, sondern auch auf ein Verhalten im privaten Bereich, wenn dadurch eine Verbindung zum (ehemaligen) Arbeitsplatz hergestellt wird (Zum außerdienstlichen Verhalten etwa Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 7. Auflage 2024, Rn 77 ff.).  Unrichtige Angaben zum aktuellen Arbeitgeber in Karrierenetzwerken verletzen das Rücksichtnahmegebot (vgl. LAG Köln, Urteil vom 07.02.2017 – 12 Sa 745/16). Dem ehemaligen Arbeitgeber steht ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch zu, wenn seine Interessen die des „digitalen Noch-Arbeitnehmers“ überwiegen. Das ist aus den oben genannten Gründen der Fall: Der gemutmaßte Bewerbungsvorteil wiegt gegenüber den rechtlichen Nachteilen des ehemaligen Arbeitgebers geringer. Zugespitzt ist das in Fällen, in denen wie in einem mir übertragenen Fall der ehemalige Mitarbeiter zusätzlich politisch fragwürdige Statements auf seinem Profil veröffentlicht.

In den meisten Fällen wird es genügen, dass der ehemalige Arbeitgeber den Ex-Mitarbeiter zur Löschung bzw. Berichtigung seines Eintrags in dem sozialen Netzwerk auffordert. Sollte das nichts bewirken, kann der Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden; die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung liegen vor. Ebenso kann der Arbeitgeber bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung verlangen.

 
 

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